Seit 1986 wird im Rahmen der Berlinale ein stilistisch und thematisch innovativer Film aus dem Programm des Berlinale Forum mit dem Caligari-Filmpreis ausgezeichnet. Am 21. Februar 2025 fand die 40. Preisverleihung statt.
Der von den Kommunalen Kinos und dem Kooperationspartner filmfriend ausgelobte Preis ist mit 4.000 Euro dotiert.
Der Preisträger/die Preisträgerin erhält die Hälfte des Betrages, 2000 Euro werden für Werbemaßnahmen verwendet, um weitere Kinoaufführungen in Deutschland zu unterstützen, wenn möglich in Form einer Filmtournee durch kommunale Kinos. Medienpartner des Preises ist das Portal filmdienst.de.
Co-Stifter waren bislang: 2001 – 2017 Filmzeitschrift filmdienst | 2018 Europäische Filmphilharmonie |
2019 – 2022 filmdienst.de – Das Portal für Kino und Filmkultur.
Auf filmfriend.de sind Caligari-Preisträger, weitere Filme von Filmschaffenden, die den Caligari-Filmpreis erhielten, sowie ein Doku-Porträt über Erika und Ulrich Gregor – die Gründer des Berlinale-Forums verfügbar.
Preisträger 2025
Fwends

von Sophie Somerville
Buch: Sophie Somerville, Emmanuelle Mattana
Kamera: Carter Looker
Musik: Mike Tilbrook
Mit: Emmanuelle Mattana, Melissa Gan.
AUS 2025, 92 Min.
Jurybegründung
Wir erleben die Zunahme und Komplexität globaler Krisen. Die wirken sich negativ auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen aus und darauf, wie wir Kunst machen. Ebenso erleben wir immer mehr, wie Fronten sich verhärten, Menschen sich einsam fühlen und wie sich sogar in Freundschaften Gräben auftun. Anderen zuzuhören und verstehen zu wollen, was sie bewegt, ist lange keine Selbstverständ-lichkeit mehr.
Wir haben uns daher für einen Film entschieden, der ein Zeichen dafür setzt, wie wichtig es ist, hinzuhören und den Mut zu haben, sich zu öffnen und eigene Schwächen einzugestehen. Einem Film, der vor Humor und Leichtigkeit sprüht. Das Langfilmdebüt setzt auf heitere, erfüllende Momente ohne Eskapismus, auf Solidarität ohne Negativ-folien, und auf Vertrauen ohne Angst vor Risiken.
Im Kontext restriktiver Produktionsbedingungen, die er im Vertrauen auf kollektive Arbeitsweisen spielerisch und originell zu wenden versteht, wandert der Film zwischen ernsten Gesprächen und alberner Selbstvergessenenheit und zwischen präzisem Schauspiel und dokumen-tarischer Freiheit.
Auf diese Weise regt der Film zur Suche an: nach dem Besonderen im Einfachen, nach den Stärken in unseren Schwächen, nach dem Lockeren im Kontrollierten. Der Film ist lebhaftes Dokument eines spürbar lustvollen kreativen Prozesses, ist kosmo-politisches Selbstzeugnis der Ängste und Motivationen junger Frauen.
Eine für viele Menschen nicht selbstverständliche Bewegungs- und Meinungsfreiheit nutzt der Film, um Themen anzusprechen, die hinter den akuten politischen Konflikten oftmals zurücktreten, die aber unser menschliches Miteinander und das Verhältnis der beiden Hauptfiguren ausmachen.
Deren Bewegungen durch die Stadt strukturieren den Film. Sie sind dynamisch, rastlos und fließend und bewahren trotzdem ihren Fokus, öffnen Räume und sind bemerkenswert stringent montiert. In einem atemraubenden Tempo ziehen die improvisierten Gespräche uns in einen Strudel aus Zielstrebigkeit und Desorientierung, Klimawandel und psychischer Gesundheit, aus Nihilismus und Clowns-kostümen. Und alles innerhalb eines Übernach-tungsbesuchs.
Wir sind sehr dankbar, durch diesen Film eine mitreißende, seltene, lustige und kraftvolle Freundschaft unter Frauen erleben zu dürfen, auf der Leinwand und im Filmteam. Deshalb verleihen wir den diesjährigen Caligari-Filmpreis an den Film FWENDS.
► Jurybegründung in Englisch
We are experiencing the increase and complexity of global crises. They are having a negative impact on our interpersonal relationships and on how we make art. We are also seeing more and more fronts hardening, people feeling lonely and rifts opening up even in friendships. Listening to others and understanding what drives them can no longer be taken for granted.
We have therefore chosen a film that sets an example of how important it is to listen to each other and have the courage to open up and admit your own weaknesses. A film that sparkles with humour and lightness. The debut feature film focuses on cheerful moments without escapism, on solidarity without drawing a negative contrast, and on the power of trust without fear of any risk. In a playful and original way, the film manages to turn around restrictive production conditions by relying on collective working methods. In this context, it wanders between serious conversations and silly self-forgetfulness, between precise acting and documentary open-endedness.
In this way, the film encourages us to go on a search: for the special in the simple, for the strengths in our weaknesses, for freedoms in the controlled. The film is a vivid document of a tangibly pleasurable creative process, a cosmopolitan testimony to the fears and motivations of young women.
Freedom of movement and freedom of opinion that cannot be taken for granted by many people are the film’s starting point to address issues which often take a back seat to acute political conflicts, which however define both our human interaction and the relationship between the two main characters. Their rambles through the city of Melbourne structure the film. They are dynamic, restless and free-flowing, yet retain their focus, open up spaces and are edited in a remarkably stringent way. At a breathtaking pace, the improvised conversations draw us into a maelstrom of single-mindedness and disorientation, climate change and mental health, nihilism and clown costumes. And all within the space of an overnight visit.
We feel very honored for having experienced such a rousing, rare, funny and powerful friendship between women through this film, on the screen and in the film team. The Caligari Film Prize 2025 goes thus to the film FWENDS.
► Zur Person Sophie Somerville
Sophie Somerville ist eine in Melbourne ansässige australische Autorin, Regisseurin und Redakteurin. Ihre Kurzfilme wurden auf Festivals auf der ganzen Welt gezeigt, darunter das Telluride Film Festival und das London Short Film Festival. Ihre Filme haben beim Sydney Film Festival den Dendy Award für den besten Live-Action-Kurzfilm (Peeps, 2021) und den Rouben Mamoulian Award für die beste Regie (linda 4 eva, 2023) gewonnen. Im Jahr 2023 nahm sie am Melbourne International Film Festival Accelerator Lab für aufstrebende australische und neuseeländische Regisseur*innen teil. © Berlinale
Weitere Infos in unserer Pressemitteilung
Die Caligari-Jury 2025
Nikolas Ditz
studierter Physiker, kurz vor Abschluss der Promotion. Seit 2021 ehrenamtlich aktiv beim Zebra Kino Konstanz, dort Mitglied des Vereinsvorstands und verantwortlich für die monatliche Genrefilmreihe Moonlight Madness sowie das dazugehörige Festival SHIVERS.
Tobias Dietrich
Filmwissenschaftler und Filmkurator, Promotion zur „Ästhetischen Dimension von Mental Illness in zeitgenössischen Autor:innenfilmen“, derzeit Koordination des 29. Internationalen Bremer Symposiums zum Film beim CITY 46 / Kommunalkino Bremen e.V.
Katja Krause
Leiterin der Universitätsbibliothek der Filmuniversität Babelsberg. Mitglied im Arbeitskreis Filmbibliotheken sowie der FIAF. Einsatz für Erhalt und Zugänglichkeit des Filmerbes – insbesondere für studentische Produktionen aus Babelsberg. Dabei enge Zusammenarbeit mit filmfriend.de.
Liste der Preisträger:
Jahr | Titel | Deutscher Verleihtitel | Deutscher Verleih | Regie | Land |
2024 | Shahid | Schmidbauer Film | Narges Kalhor | Deutschland | |
2023 | De Facto | Selma Doborac | Österreich / Deutschland | ||
2022 | Geographies of Solitude | Arsenal-Institut für Film und Videokunst Berlin | Jacquelyn Mills | Kanada | |
2021 | A River Runs, Turns, Erases, Replaces | Arsenal-Institut | Shengze Zhu | USA | |
2020 | Victoria | Arsenal-Institut | Sofie Benoot, Liesbeth De Ceulaer und Isabelle Tollenaere | Belgien | |
2019 | Heimat ist ein Raum aus Zeit | GMFilms | Thomas Heise | Deutschland | |
2018 | La Casa Lobo | Arsenal-Institut | Cristóbal León, Joaquín Cociña | Chile | |
2017 | El mar la mar | Arsenal-Institut | Joshua Bonnetta, J.P.Sniadecki | USA | |
2016 | Akher ayam el madina (In the Last Days of the City) | Wolf Kino / Arsenal-Institut | Tamer El Said | Ägypten u.a. | |
2015 | Balikbayan #1 Memories of Overdevelopment Redux III | Arsenal-Institut | Kidlat Tahimik | Philippinen | |
2014 | Das Grosse Museum | Realfiction | Johannes Holzhausen | Österreich | |
2013 | Hélio Oiticica | Arsenal-Institut | Cesar Oiticica Filho | Brasilien | |
2012 | Tepenin Ardı (Beyond the Hill) | Arsenal-Institut | Emin Alper | Türkei / Griechenland | |
2011 | The Ballad of Genesis and Lady Jaye | Arsenal-Institut (Neue Pegasos) | Marie Losier | USA u.a. | |
2010 | La bocca del lupo | Arsenal-Institut | Pietro Marcello | Italien | |
2009 | Ai No Mukidashi | Love Exposure | Rapid Eye Movies | Sion Sono | Japan |
2008 | Tirador | – | Brillante Mendoza | Philippinen | |
2007 | Kurz davor ist es passiert | Kurz davor ist es passiert | Filmgalerie 451 | Anja Salomonowitz | Österreich |
2006 | 37 Uses for a Dead Sheep | 37 Arten ein Schaf zu nutzen | Piffl Medien | Ben Hopkins | Großbritannien |
2005 | Niu Pi Oxhide | Liu Jia Yin | China | ||
2004 | Dopo Mezzanotte | Die zweite Hälfte der Nacht | Kairos Filmverleih | Davide Ferrario | Italien |
2003 | Salt | Salt | Arsenal-Institut vorm. Freunde der Deutschen Kinemathek | Bradley Rust Gray | Island/USA |
2002 | Un Día de Suerte | Ein Glückstag | Kairos Filmverleih | Sandra Gugliotta | Argentinien |
2001 | Crónica de un desayuno | Chronik eines Frühstücks | Arsenal-Institut vorm. Freunde der Deutschen Kinemathek | Benjamin Cann | Mexiko |
2000 | I Earini synaxis ton agrofylakon | Das Frühlingstreffen der Feldhüter | Kairos Filmverleih | Dimos Avdeliodis | Griechenland |
1999 | Viehjud Levi | Viehjud Levi | Arsenal Filmverleih | Didi Danquart | Deutschland |
1998 | Kasaba | Die Kleinstadt | Arsenal-Institut vorm. Freunde der Deutschen Kinemathek | Nuri Bilge Ceylan | Türkei |
1997 | Nobody’s Business | Nobody’s Business | Ventura Film | Alan Berliner | USA |
1996 | Charms Zwischenfälle | Charms Zwischenfälle | Ventura Film | Michael Kreihsl | Österreich |
1995* | Madagascar | Madagascar | Fernando Pérez | Cuba | |
1995* | Complaints of a Dutiful Daughter | Klagen einer pflichtbewußten Tochter | Deborah Hoffman | USA | |
*1995 zwei Preisträger | |||||
1994 | Sátántangó | Sátántangó | Béla Tarr | Ungarn | |
1993 | Anlian taohua yuan | Das Land der Pfirsichblüte | Stan Lai | Taiwan | |
1992 | Swoon | Swoon | Tom Kalin | USA | |
1991 | All the Vermeers in New York | All‘ die Vermeers in New York | Jon Jost | USA | |
1990 | Untamagiru | Untamagiru | Go Takamine | Japan | |
1989 | Sama | Die Spur | Néjia Ben Mabrouk | Tunesien | |
1988 | Nagunenun gilesodo schizi annunda | Der Mann mit den drei Särgen | Lee Chang-Ho | Korea | |
1987 | Yuki yukite shingun | Vorwärts, Armee Gottes! | Kazuo Hara | Japan | |
1986 | Shoah | Shoah | Arsenal-Institut vorm. Freunde der Deutschen Kinemathek | Claude Lanzmann | Frankreich |